Nachbars Rasen ist eben immer grüner...

...das Katzenkörbchen...

Im September letzten Jahres (2015) passierte es durch eine Verkettung von Zufällen, dass wir im Hundehaus landeten. Wir führten ein tolles Gespräch mit der Hundehausleitung, das uns auf die Möglichkeit des Gassi Gehens aufmerksam machte. Das klang toll! Hunde gehören seit Jahren zu unserer Familie, aber einen eigenen Hund, für den hatten wir keine Zeit. Wir waren doch berufstätig und wer weiß was in ein paar Jahren sein wird? Wir sind Mitte Zwanzig und wissen ja noch nicht mal was nächstes Jahr sein wird. So viel Verantwortung wollten wir nicht tragen. Aber Gassigänger werden, das war eine tolle Alternative, die wir gerne ergriffen!

Wir lernten die wundervollsten und verschmustesten Hunde kennen. Wir haben jede Minute genossen und es tat so gut, die Bewegung, die Streicheleinheiten, die netten Gespräche mit den anderen ehrenamtlichen Mitgliedern.

Ich werde den ersten Spaziergang mit Mira nie vergessen, dieser Hund war so abweisend und untypisch Hund. Sie hatte absolut gar kein Interesse an dem Mensch hinter der Leine. Während andere Hunde um die Aufmerksamkeit und Streicheleinheiten buhlten, ging sie so weit von einem weg, wie die Leine es erlaubte. Streicheleinheiten wurden mehr geduldet als genossen. Anfassen, sowieso am liebsten gar nicht. Gut, wir wussten nicht viel über den Hund und letztendlich war unser Ziel, dass es den Hunden gut geht. Also bekamen sie bei uns immer was sie wollten, spielen, laufen, gehen, kuscheln. Mira wollte einfach nur gehen. Bloß nicht laufen und spielen? Ohje.. sie hat nicht verstanden was wir von ihr wollten. Teilweise hatten wir das Gefühl, dass sie uns einfach nicht mochte.

Aber das änderte sich recht schnell. Es dauerte nicht lange, bis sie uns doch ein wenig Neugier entgegenbrachte, aus Neugierde wurde ein wenig Zuneigung. Ab und zu bewegte sich ihr Schwanz, wenn wir sie ansprachen und wenn wir kamen, fing sie an sich auf uns zu freuen. Sie gewöhnte sich an uns, und wir uns an sie. Wir fingen an sie zu verstehen, wir hörten ihre Geschichte und beobachteten sie. Wir empfanden Verständnis für ihr Verhalten und fingen sie an für ihre Eigenschaften zu lieben.

Auf dem nächsten Klönschnack-Sonntag trafen wir uns mit den anderen ehrenamtlichen Mitgliedern. Es gab Kaffee und tollen Kuchen und Neuigkeiten über Adoptionen. Wir unterhielten uns nett und eines der anderen Mitglieder fragte uns, nach unserem Lieblingshund. Ob wir einen hätten, den wir besonders gerne ausführen würden. Ich antworte relativ schnell mit dem Namen „Mira“. Ich wusste gar nicht wieso. Und mit einem Lächeln und Zwinkern im Gesicht schmetterte mir die Frage zurück „Warum adoptiert ihr sie nicht einfach?“ Äähmm.. ja… also.. wir wollen gar kein Hund, das geht gar nicht.. wie denn? Und wir haben doch auch eine Katze.. und ne.. Gar keine Zeit. Zu dem Zeitpunkt waren wir fast 4 mal die Woche im Tierheim. Zum Thema Zeit.. Das Gespräch ging weiter und verlief sich in anderen Themen, aber ich konnte nicht aufhören über die Frage nachzudenken. Ja warum eigentlich nicht? Mir fiel keine Antwort ein, also fragte ich meinen Mann: Warum noch mal wollen wir keinen Hund adoptieren? Und wir diskutierten und sprachen darüber, wir lasen Miras Beschreibung durch und philosophierten über alles was uns einfiel. Und irgendwann gingen uns die Argumente aus.. Und zwar die Argumente gegen eine Adoption. Aber wir wollten nichts überstürzen, vielleicht hatten wir nicht alles durchdacht. Wir waren uns doch einig, dass wir eigentlich keinen Hund wollten.

Der Sommer war vorbei und der Herbst kam auf uns zu. Es war ein kalter, nebliger, feuchter Morgen. 9 Uhr, wir standen beim Hundehaus, gingen unsere obligatorische Runde um die Zwinger und begrüßten alle. Auch Mira, sie freute sich uns zu sehen, doch das wackeln ihres Hinters war fast nicht zu erkennen, weil sie zitterte wie Espenlaub. Trotz des warmen Mäntelchens in das die Tierheimpfleger sie verpackt haben, das Wetter gefiel ihr gar nicht. Dieser Hund braucht dringend eine Heizung! Das war der erste Gedanke und ich sprach ihn aus. Ich sah meinen Mann an und sagte: „Schatz, dieser Hund braucht eine Heizung. Wir müssen diesem Hund eine Heizung geben.“ Mein Mann lachte und nickte. Er schlug vor mit den Tierpflegern zu sprechen. Und scheinbar, war ich die Einzige die überrascht war, denn auf unsere Anfrage hin, ob es eigentlich für Mira ernsthafte Interessen gäbe, wurde uns mit einem wissenden Lächeln geantwortet. Und mein Mann hat scheinbar auch nichts anderes erwartet. Wir gaben alle unsere Bedenken bekannt und sprachen alle Zweifel an, die Hundehausleitung hat sich unseren Sorgen liebevoll angenommen und alles mit uns besprochen. Das Ende des Gespräches: Mira saß samt Hundehöhle, Decke, Körbchen, Näpfen, Leine und Geschirr in unserem Auto.

Die ersten Minuten waren spannend, die ersten Tage sowieso. Die Katze entpuppte sich schnell als Chef im Haus, unter der sich Mira schnell und ohne Diskussion unterordnete. Das passte ganz gut, denn unsere alte Katzendame war gar nicht in der Lage sich körperlich dem Hund entgegenzusetzten. Aber Mira ließ es nicht darauf ankommen. Sie war sehr respektvoll und geduldig. Sie hat eben einen so warmen und zarten Charakter. Die ersten Tage erhielt sie einen eigenen Raum in dem ihre Höhle stand, gegenüber von der Tür. So sah sie jeden der sich ihr näherte und sie hatte einen Rückzugsort, vor einer Heizung. J

Es dauerte keine 3 Tage, bis sie lieber in unserer Nähe sein wollte, also erhielt sie auch einen Platz vor der Wohnzimmer-Heizung. Und sie saugte die Wärme in sich ein, als hätte sie etwas nach zu holen. Als ob sich mit der aufgetankten Wärme auch ihr Gemüt erhellen wurde, wurde sie von Tag zu Tag fröhlicher, ausgelassener und glücklicher. Sie liebt ihre Streicheleinheiten und fordert sie ein, wir spielen täglich und trainieren fleißig das apportierten. Sie hat wahnsinnigen Spaß daran mit uns zu toben, sie liebt es sich mit ihrem Leckerli-Ball zu beschäftigen und selbst ihren Jagdinstinkt haben wir sehr gut unter Kontrolle. Sie hat eine Beziehung zu den anderen Menschen in unserer Familie aufgebaut und freut sich auch diese zu sehen. Sie ist ein geliebtes und geschätztes Familienmitglied geworden und bringt allen Freude. Dieser Hund ist heute wie ausgewechselt. Wir haben uns anfangs oft gefragt warum niemand diesen Hund 3 ganze Jahre lang adoptieren wollte. Aber nun wissen wir es, weil sie auf uns gewartet hat und wir auf sie. Egal was passiert, egal was sich in unserem Leben noch ändern wird, Mira wird immer ein fester Teil davon bleiben.

Mira kommt aus einer vernachlässigten Tierhaltung. Sie kannte keine menschliche Zuneigung und keine Leine. Auf ihrem Gesicht, auf ihrer Brust und an ihren Vorderläufen sind Narben zu sehen. Mit 3 Jahren übernahm das Tierheim die Verantwortung für sie und ihr Rudel, das aus 5 weiteren Hunden bestand.

Danke Tierheim, dass ihr Mira 3 Jahre lang auf ihr Zuhause vorbereitet habt. Danke, dass ihr ihr gezeigt habt, dass Menschen nicht böse sind. Danke, dass ihr sie an die Leine gewöhnt habt. Danke, dass ihr sie nicht aufgegeben habt. Und danke, dass ihr sie uns vorgestellt habt. Danke, dass ihr zugelassen habt, dass wir uns gefunden haben. Danke, für jeden einzelnen Tag an dem ihr das auch für andere Tiere macht!

(Tino und Paulina Sperling)